„Die meisten Digitalreports enttäuschen noch“

Während Print immer opulenter wird, mit Veredelungen und Gimmicks punktet, wird das Potenzial des digitalen Publishings bei Geschäftsberichten noch wenig ausgenutzt. Über die Trends im Finance Reporting spricht Pia Dahlem, Chefredakteurin des Branchenmagazins „LOUT“ und Initiatorin der Fox Finance Awards, im Interview. 

Frau Dahlem, wie hat sich das Finance Reporting in den letzten Jahren verändert?
Grundsätzlich ist die imagebildende Wirkung des Finance Reportings erkannt und wird ausgebaut, um neben den Investoren neue Zielgruppen zu erreichen. Investor Relations und Externe Kommunikation arbeiten im Schulterschluss.

Insgesamt sind uns folgende Trends aufgefallen: Mehr Opulenz beim Content, mehr SEO bei Digitalberichten, mehr Social Media und neue Aussagekraft bei CSR. Dagegen enttäuschen noch die meisten Digitalreports. Das Potenzial von Verlinkungen, von modularem und multimedialem Content mit Zielgruppen-Relevanz bleibt oft noch ungenutzt.



Wie entwickelt sich das Verhältnis von Printreports zu Digitalreports?
Nach wie vor überwiegen die gedruckten Reports. Vor allem nicht berichtspflichtige Unternehmen, die Reports vorrangig als Imagetool nutzen, setzen auf Print. Doch der Trend geht klar zur digitalen Verlängerung und zu schrumpfenden Print-Auflagen. 2009 erstellten die DAX-30-Firmen fast 31.000 gedruckte Reports, 2019 nicht einmal mehr 2.000 Exemplare. Etliche Unternehmen wie die Rewe Group verzichten bereits komplett auf Print. Allerdings weichen aufwendig HTML- oder PHP-programmierte Reports wieder eher sachlichen Varianten mit Priorität auf einem schnellen Überblick und wenigen, teils animierten Infografiken und punktuellen Videos. Jüngere Umfragen bestätigen sogar, dass das PDF im Hochformat heute erste Wahl ist. Denn der Umgang mit PDF auf User-Seite ist gelernt. Optimierungspotenzial liegt hier noch in der klickbaren Navigation und der Möglichkeit, innerhalb der Kapitel nach Stichworten zu sortieren.

Was hat sich bei den Geschäftsberichten im Printbereich getan?
Wir beobachten zwei Gruppen. Die eine ergänzt ihre Reports mit separat produzierten, contentstarken Imageteilen. Deren Inhalte verwendt sie dann zusätzlich in ihrer internen und der externen Kommunikation. Diese Form findet sich meist bei im DAX oder anderen Indizes gelisteten Unternehmen. Die zweite Gruppe präsentiert ihre Reports weiterhin aus einem Guss. Aber auch hier werden Inhalte zunehmend journalistischer und farbiger als noch vor wenigen Jahren. Dagegen scheint der Zenit bei der druck- und papiertechnischen Materialschlacht überschritten.

Welches Thema wird in den Reports des kommenden Jahres kaum fehlen dürfen?
Ganz klar das Thema Resilienz. Die Widerstandskraft eines Unternehmens bei künftigen Pandemien, die Robustheit und Stabilität seiner Lieferketten, der Anteil der Produktion im Inland, in Europa und im weiteren Ausland.

Und wie ist es um die Nachhaltigkeitsberichte bestellt?
Das seit dem Geschäftsjahr 2017 gültige CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz zeigt Wirkung. 2019 erschienen etliche inhaltlich gut umgesetzte CSR-Berichte. Es ist anzunehmen, dass Klimadiskussion und Corona den Bewusstseinswandel dahingehend beschleunigen, dass eine sozial- und umweltfördernde Haltung auf Marke und Unternehmenswert einzahlt.

Chefredakteurin Pia Dahlem (Foto: ©LOUT)
Chefredakteurin Pia Dahlem (Foto: ©LOUT)

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