Was ist Sponsored Content?

Und wie muss man ihn kennzeichnen, um medienethisch richtig zu handeln? Sabine Einwiller, Vorsitzende des Österreichischen Ethik-Rats für Public Relations und Professorin für Public-Relations-Forschung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, im Interview.

Achtung, Werbung!
Wissen Sie, was man unter dem Begriff „Sponsored Content“ versteht? Falls Sie keinen blassen Schimmer haben oder bei dem Begriff zwar etwas klingelt, Sie aber trotzdem nichts damit anfangen können, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Immerhin 72 Prozent aller NutzerInnen von Onlineplattformen der zehn reichweitenstärksten österreichischen Nachrichtenmedien wissen nicht, dass es sich dabei um redaktionell aufbereiteten, nicht aber journalistisch unabhängigen Content handelt. Kundenzeitschriften, Web-Content oder Unternehmensblogs zählen ebenso dazu wie Sonderstrecken in Zeitungen und Magazinen. 

Der Unterschied zwischen Journalismus, PR und Werbung verschwimmt – vor allem dann, wenn Corporate Publishing mit ebenso hochwertigen Inhalten und Aufmachungen aufwarten kann wie traditioneller Journalismus. Für Leserinnen und Leser ist der Unterschied immer schwerer erkennbar. Wir haben mit Sabine Einwiller darüber gesprochen, was ethisches Content Marketing, wie Sponsored Content und Corporate Publishing, auszeichnet. 



Content ist im Internet mittlerweile die wichtigste Währung. Er wird schon lang nicht mehr nur von Journalisten produziert, sondern auch von Corporate-Publishing-Agenturen, Unternehmen, Influencern. Die Grenzen zwischen all diesen Bereichen verschwimmen immer mehr. Was bedeutet das für Leserinnen und Leser?
Sabine Einwiller: Klassische Anzeigensujets werden von Medienrezipienten überblättert oder online per Ad-Blocker ausgeblendet. Anders beim Sponsored Content, der durch Ad-Blocker oftmals nicht ausgeblendet werden kann. Auch steht dabei meist nicht das Produkt im Vordergrund, sondern es sollen Informationen vermittelt und Storys erzählt werden, aus denen Konsumenten einen Mehrwert ziehen. Bei diesem Content ist oft gar nicht erkennbar, ob es sich um Sponsored Content oder journalistische Inhalte handelt.

Woran liegt das?
Rezipienten haben gelernt, klassische Werbung und damit die Überzeugungsabsicht eines Unternehmens zu erkennen. Sie entscheiden dann frei, ob sie die Werbung beachten oder sich davon überzeugen lassen wollen. Bei Sponsored Content wird dieses Persuasionswissen jedoch meist nicht aktiviert, denn der Inhalt mutet journalistisch und nicht werblich an. Beim Sponsored Content wird häufig der Eindruck erweckt, es handle sich um unabhängige Information. 

Werbung muss aber laut Mediengesetz verpflichtend als solche gekennzeichnet werden.
Ja, §26 MedG schreibt vor, dass bezahlte Einschaltungen mit „Anzeige“, „Werbung“ oder „Entgeltliche Einschaltung“ gekennzeichnet sind. Nicht selten ist die Kennzeichnung aber sehr unauffällig angebracht, sodass sie leicht übersehen wird. Häufig werden auch Begriffe verwendet, die die Medienrezipienten nicht gut verstehen, wie zum Beispiel „Sponsored Content“ oder „Advertorial“. Diese Begriffe sind vielen Menschen nicht bekannt, oder sie wissen nicht, was sie bedeuten, wie wir in Befragungen erhoben.

Der PR-Ethik-Rat hat es sich zur Aufgabe gemacht, schwarze Schafe auf Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Wie häufig kommt das tatsächlich vor?
Pro Jahr sind es rund 30 Beschwerden, die teilweise von aufmerksamen Medienrezipienten, Journalisten oder von Vertretern aus der PR-Branche beim PR-Ethik-Rat eingebracht werden. Oft geht es dabei um unzureichende Kennzeichnungen, immer mehr auch im Onlinebereich und von Influencern.

Wie kann man Ethik-Fettnäpfchen im Corporate Publishing vermeiden?
Beim Corporate Publishing, also den Eigenpublikationen von Organisationen, reicht es nicht aus, wenn nur versteckt im Impressum steht, wer hinter der Publikation steckt. Wer ethisch handelt, sorgt für eine klare Kennzeichnung und gibt daher Unternehmensname und Logo sichtbar gleich auf der Start- oder Titelseite des Mediums an. 

Für den durchschnittlichen Medienrezipienten muss auf den ersten Blick erkennbar sein, dass es sich um Auftragskommunikation handelt. Ebenso muss der Auftraggeber ersichtlich sein. Unternehmen sollten dazu stehen, denn Content mit Mehrwert zeichnet sie schließlich auch aus.  




Kann Corporate Publishing in puncto Qualität mit unabhängigen Medien mithalten?

Gemeinsam mit Journalisten und Agenturen entwickeln Unternehmen hochwertige Produkte, die unabhängigem Journalismus durchaus Konkurrenz machen. Nachdem diese auch noch kostenlos sind, werden sie von Konsumenten gern anstelle von unabhängigen Medienprodukten genutzt. Umso wichtiger ist es, Leser darüber aufzuklären, dass sie zwar ein gut gemachtes Produkt mit Mehrwert vor sich haben, es sich dabei aber um ein „Agendamedium“ handelt, mit dem eine Organisation ein strategisches Ziel verfolgt. Echte Unabhängigkeit ist in dem Fall nicht gegeben, denn man würde in einem solchen Medium weder einen kritischen Beitrag über den Auftraggeber noch einen positiven über die Konkurrenz finden.

Spielt es für Rezipienten eine Rolle, ob gut gemachter Content mit hohem Informationsgehalt von Journalisten oder Unternehmen stammt?
Wir untersuchen derzeit gerade, wie unterschiedliche Altersgruppen mit Sponsored Content, der in Nachrichtenmedien erscheint, umgehen. Die bislang geführten qualitativen Interviews geben noch keinen Hinweis darauf, dass beispielsweise Jüngere weniger kritisch wären als Ältere. Eine Ausnahme sind allerdings Influencer, die von Jüngeren als authentischer wahrgenommen werden, denn die Jungen identifizieren sich oftmals stark mit ihnen oder bewundern sie. Das macht sie für die Werbebotschaften von Influencern sehr empfänglich. Hier ist zu beobachten, dass Digital Natives der Herkunft von Inhalten indifferenter gegenüberstehen als Ältere. 

Was war denn der dreisteste Fall, mit dem der PR-Ethik-Rat bislang konfrontiert wurde?
In Bezug auf Kennzeichnung gibt es natürlich Fälle, wo gar nicht gekennzeichnet wird. Das ist sehr dreist. Aber wir hatten zum Beispiel auch einen Fall, wo bezahlte Artikel lediglich mit einem Punkt gekennzeichnet wurden. Eine entsprechende Legende, die die Bedeutung dieses Punkts erklärte, nämlich dass es sich um bezahlten Inhalt handelt, war kaum sichtbar und wenig verständlich. Hier war klar erkennbar, dass man um die Kennzeichnungspflicht wusste, man aber sichtlich bemüht war, dass die Rezipienten die Kennzeichnung nicht erkennen sollten. Ein klarer Fall von Verschleierungstaktik also. 

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Der österreichische Ethik-Rat für Public Relations
Seriöse Öffentlichkeitsarbeit von unsauberen Praktiken abzugrenzen ist das Ziel des 2008 gegründeten Ethik-Rats für Public Relations. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betroffenen eine Handhabe dagegen zu geben und langfristig unethisches Verhalten zurückzudrängen. Die 12 Ratsmitglieder unter Vorsitz Sabine Einwillers sind Kommunikationsexperten, die diese Tätigkeit ehrenamtlich ausüben. Beschwerden können via Online-Formular eingereicht werden. Erweist sich diese nach Prüfung als gerechtfertigt, wird eine Rüge publiziert. 

Infos auf www.prethikrat.at

Sabine Einwiller, Vorsitzende des Österreichischen Ethik-Rats für Public Relations
und Professorin für Public-Relations-Forschung am Institut für
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien

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