„Nach Covid-19 stehen ganze Unternehmenskulturen auf dem Prüfstand“

Ein paar Videokonferenzen sind noch kein Digitalisierungsschub. Warum sich dennoch ein massiver Change in der Arbeitswelt anbahnt und warum es nicht reicht, ein Digital Native zu sein, erklärt Dr. Michael Höfler, Kommunikationschef bei A1, im Interview.

Wie wird man Leiter der Konzernkommunikation bei einem Unternehmen wie A1 Telekom Austria?
Ich war schon seit frühester Jugend ein „Kommunikationsmensch“. Schon als Schulsprecher in der Oberstufe war mir klar: Dafür habe ich ein bisschen Talent. Ich habe während des Studiums beim damaligen PR-Marktführer PLEON Publico begonnen, mein Doktorat in Soziologie gemacht und ergänzend an der FH der Wirtschaftskammer Wien Marketing und Sales studiert. 2010 habe ich meine eigene Agentur Pantarhei Corporate Advisors gegründet und mit meinen Partnern innerhalb von acht Jahren zu einem der größten Kommunikationsunternehmen im Land entwickelt. Nachdem ich die Agentur verkauft hatte, kam kurz danach das Angebot von A1. Ich habe es angenommen, weil ich noch nie auf Unternehmensseite war und das spannend fand. A1 als einer der relevantesten Player am Markt hat mich interessiert, die Mannschaft und das Team sind großartig und auch das Thema Telekommunikation hat mich seit Beginn meiner Beraterkarriere fast 15 Jahre lang „verfolgt“.

Zusätzlich unterrichten Sie an einer FH …
Ja, derzeit halte ich eine Einführungsvorlesung zum Thema politische Kommunikation, früher habe ich das Wahlfach Werbung & PR betreut. Ich möchte den Studierenden vermitteln, wie Medien heute funktionieren – und zwar nicht nur technisch. Ich möchte ihre Medienkompetenz stärken. Die ist nicht angeboren, sondern muss erworben werden. Und das ist bei der heutigen Informationsfülle gar nicht so leicht.

Konsumieren Sie persönlich Medien lieber gedruckt oder digital?
Beides. In der Früh blättere ich die Zeitungen durch. Eine Printausgabe gibt einen ganz anderen Eindruck darüber, wo eine Geschichte im Gesamtkontext steht. Digital lese ich, weil die Informationen schneller und unmittelbarer ankommen. Ich glaube, dass beide Formen für die Leser wichtig bleiben werden. Beim Medienmachen ist die Frage aber mittlerweile egal, getrennte Online- und Printredaktionen gibt es meines Wissens nach kaum mehr.

Gibt es den Digitalisierungsschub durch Covid-19, von dem jetzt so viel gesprochen wird, tatsächlich? 
In der Digitalisierung gab es meiner Meinung nach bisher drei markante Wellen, die immer etwa in einem Abstand von zehn Jahren kamen. Ende der 90er-Jahre ging es um die Fragen: Wie schaut eine Website aus? Wie ist ein E-Mail-Newsletter-System zu machen? Ab 2008, 2009 setzten sich das Smartphone und das Konzept der sozialen Medien durch. Seither ist man ständig auf mehreren Kanälen erreichbar, überall verfügbar. Das hat die Arbeit unglaublich beschleunigt.

Nun, 2020, löst die Covid-Krise wieder einen Schub aus. Zwar gibt es die technischen Möglichkeiten schon länger, aber man hat sie wenig genutzt. Es besteht immer Scheu vor Neuem, weil man dafür auch gut Funktionierendes hinter sich lassen muss. Man fragt sich: Besteht wirklich eine Notwendigkeit, sich das anzutun? Covid-19 hat dazu geführt, dass man einige dieser Tools jetzt einsetzen muss.

Ist der verstärkte Einsatz von Videokonferenzen denn tatsächlich ein so großer Schritt?
Die Akzeptanz von Videokonferenzen erleichtert den Arbeitsalltag. Wir müssen plötzlich nicht immer physisch präsent sein. Das merken auch regionale Player, zum Beispiel mit zwei, drei Standorten in Wien und Niederösterreich. Früher mussten Mitarbeiter vielleicht wegen jeder Kleinigkeit nach St. Pölten fahren. Jetzt weiß man: Es geht auch anders. 

Im Hintergrund geht es aber um viel mehr. Ganze Unternehmenskulturen stehen auf dem Prüfstand. Führungskräfte müssen das richtige Maß zwischen persönlichem Kontakt und virtueller Führung finden. Wie organisiere ich mein Team? Wie verteile ich Arbeiten? Wie delegiere ich Verantwortung? Wie informiere und motiviere ich? Die Antworten auf diese Fragen sind nicht bloß fürs Homeoffice relevant, hier findet eine nachhaltige Kulturänderung statt, eine Flexibilisierung der Unternehmen, die wir nach dem Homeoffice auch mit zurück in die Büros nehmen.

Wie zeigt sich diese Änderung der Unternehmenskultur konkret?
Die neu geschaffenen Freiräume sind gut für die Kreativität. Unternehmen brauchen Menschen, die Ideen einbringen und umsetzen. Aber wer sich selbstständig einen Weg sucht, muss auch das Ziel kennen. Jeder Mitarbeiter muss dasselbe Bild im Kopf haben, wo das gesamte Unternehmen hinsteuert. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand etwas macht, weil er den Auftrag dazu bekommt, oder weil er den Gesamtzusammenhang versteht und sieht, welchen wertvollen Beitrag er leistet. Ich muss daher Mitarbeiter nicht nur informieren, sondern auch in viel mehr Prozesse direkt miteinbeziehen.


Was heißt das für die Führungskräfte?
Sie brauchen ein größeres Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeiter, auch um sie richtig einzusetzen. Ich muss mich fragen: Wo, wann und wie performt jemand gut, weil er sich dabei auch gut fühlt? Was brauchen meine Mitarbeiter an technischen, strukturellen und anderen Rahmenbedingungen, um den Job gern und damit gut tun zu können? 




Wie kann die interne Kommunikation diesen Prozess begleiten?

Damit alle an einem Strang ziehen, braucht es eine klare Vision und ein Big Picture, das so gut kommuniziert wird, dass jeder es mittragen kann. Dafür muss der Austausch zwischen allen Hierarchieebenen intensiver werden. Mit nur einer monatlichen Ansprache des CEO spürt der Mitarbeiter das Unternehmen nicht. So etwas sollte wöchentlich, dafür kürzer, mit jeweils weniger Themen und natürlich interaktiv stattfinden. Da reichen vielleicht 15 oder 20 Minuten und eine Plattform für Fragen. Mit den direkten Führungskräften sollte es ebenfalls viel mehr kurze Abstimmungen geben, am besten täglich. Videokonferenzen erleichtern diesen Austausch natürlich enorm.

Austausch ist generell das Thema unserer Zeit. Nicht nur Menschen tauschen sich aus, auch Dinge, Maschinen, Prozesse sind eng vernetzt. Dabei fallen riesige Datenmengen an. Wie geht man damit um? 
Zuerst einmal behutsam. Datensicherheit steht an erster Stelle. Es muss aber auch dem Konsumenten klar sein, dass es den „free lunch“ nicht gibt, also dass nichts gratis ist. Jeder muss für sich entscheiden, welche Daten er hergibt und was er dafür bekommt. Diese Entscheidung zu meinem Vorteil zu treffen, fällt in den Bereich der Medienkompetenz. 

Auf Seiten der Unternehmen muss das Datensammeln strategischer passieren. Die Daten allein bringen nichts, man muss etwas daraus machen. Daher sollte sich ein Unternehmen stets fragen: Was möchte ich erreichen, welche Daten helfen mir dabei und wie kann ich sie in Beziehung setzen, damit sie mir neue Aussagen liefern?

Was fehlt den Unternehmen am meisten, um die Digitalisierung voranzutreiben? 
Ich glaube, dass das handwerkliche und technische Verständnis ganz massiv gestärkt werden muss.

Wir haben es aber doch bei den Mitarbeitern und Führungskräften mehr und mehr mit Digital Natives zu tun … 
Nur weil jemand zufällig nach 1990 geboren ist, heißt das nicht, dass er in computertechnischen Belangen bewandert ist. Es genügt nicht, dass ich ein Handy aufdrehen und eine App installieren kann. Ich brauche das Hintergrundwissen, wie ich so etwas programmiere. Es reicht nicht, dass ich ein Scribble mache, wie eine Microsite oder eine Landingpage ausschauen kann, sondern ich muss in Grundzügen verstehen, wie das Dahinter, wie zum Beispiel WordPress funktioniert. Erfolgreich werden die sein, die das User Interface nicht nur sehen, sondern verstehen, wie die Prozesse funktionieren. Anwendungsorientiertes technisches Prozessmanagement wird in Zukunft gefragt sein. 

Heißt das, dass wir statt dem Programmierer, der nur die technische Seite betrachtet, und dem Kommunikator, der nur die Inhalte und ihre Wirkung sieht, wieder mehr Generalisten brauchen?
Ich denke, dass es beides braucht: Menschen mit tiefgehendem Fachwissen und Menschen, die einen guten Überblick haben. Und natürlich braucht es Strukturen, dass sie miteinander gut in Teams funktionieren. Diversität wird derzeit ständig so dahingesagt, aber gut sind tatsächlich Unternehmen, die resilient aufgestellt sind. Nicht nur in einer Krise, sondern ganz generell: Unternehmen brauchen Mut zur Vielfalt.

Was sind aktuell die Prioritäten im Digitalisierungsschub?
Wir werden eine massive Zunahme an Automatisierung erleben – in allen Bereichen, auch in der Kommunikation, zum Beispiel beim Programmieren von Websites und Newslettern oder beim A-B-Testing. Diese Dinge werden sich rasch weiterentwickeln. 

Verfügbarkeit und Geschwindigkeit sind derzeit die Parameter, an denen ein Telekommunikationsunternehmen gemessen wird. Wenn man hier seinen Kunden ein Maximum bieten kann, hat man dann sein Ziel erreicht? Wohin entwickelt sich die Branche?
Die Telekommunikationsbranche und der gesellschaftliche Wandel sind extrem stark verwoben. Begonnen hat A1 als Infrastrukturanbieter, der das Netz zur Verfügung gestellt hat. Heute entwickeln wir uns mehr und mehr zum Serviceanbieter. Wir betreuen heute Kunden entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette. Dazu gehören so unterschiedliche Dinge wie IT-Services oder TV-Produkte. 

Um uns in den verschiedenen Bereichen weiterzuentwickeln, arbeiten wir auch eng mit Start-ups zusammen. Es geht darum, ein Over-the-top-Anbieter zu sein, der nicht nur anderen ermöglicht, Produkte über seine Netze laufen zu lassen, sondern selber kreativ ist. Man muss sich immer in neue Geschäftsbereiche vorwagen. Dabei sind unserer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Es gilt: Wer aufhört, zu radeln, fällt um.

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Dr. Michael Höfler ist Leiter der Konzernkommunikation in der A1 Telekom Austria Group und Lehrender am Institut für Kommunikationsmanagement an der FH der Wirtschaftskammer Wien.

Foto: © A1/Rene Del Missier

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