Warum gute Texte oft viel zu billig sind

„Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann“, soll Antoine de Saint-Exupéry gesagt haben. Diese Regel gilt meist auch für Unternehmensmedien – und macht eine faire Kalkulation im Corporate Publishing nicht einfacher.

Beitrag von Mag. Klaus Lerch

Was kostet eine Seite Text für ein Kunden- oder Mitarbeitermagazin? „Kommt darauf an“, wäre eigentlich die einzig vernünftige Antwort, wenn man bedenkt, wie viele Faktoren da eine Rolle spielen: Geht es um eine faktenorientierte Geschichte oder einen Kommentar, der sich aus dem Bauch heraus schreiben lässt? Sind die Basisinfos vorhanden oder muss neu recherchiert werden? Wenn ja, telefonisch, per Mail oder vor Ort? Wie viel Fachwissen muss der Autor mitbringen? Wie viel inhaltliche Freiheit hat er? Wie viele Leute mischen bei Korrektur und Freigabe mit? Wie viele Zeichen fasst so eine Druckseite überhaupt?

Kein Wunder also, dass der Zeitaufwand für eine Seite extrem schwanken kann: Eine flott hingefetzte Kolumne für ein großzügiges Layout kann in einer Stunde fertig sein und dem Auftraggeber auf Anhieb gefallen – Glück gehabt! Und ordentlich verdient, wenn man z. B. 350 Euro dafür ansetzt. Das Gegenbeispiel ist die doppelseitige Geschichte in winziger Schrift und mit ebensolchen Bildern: Fachliteratur studieren, dann fünf Leute persönlich interviewen, weitere drei Experten aus dem Haus des Auftraggebers gegenlesen lassen, und am Schluss noch die unentbehrlichen Inputs des Geschäftsführers einbauen … 20 Stunden sind da schnell verbraucht, eventuelle Reisezeiten gar nicht eingerechnet. Bei 700 Euro macht das 35 Euro brutto pro Stunde – jeder Waschmaschinenmechaniker nimmt das Vierfache.

Extreme Bandbreite
Und als ob diese Bandbreite von 1:10 nicht schon schwer genug kalkulierbar wäre, kommt noch die eingangs erwähnte Weisheit Saint-Exupérys dazu: Kurze, knackige Texte sind tatsächlich besser als langatmiges Geschwafel – leider aber viel aufwendiger in der Produktion. Oder anders gesagt: Ein guter Journalist kann auf einer Seite mehr bewirken als ein schlechter auf zwei. Gleichzeitig braucht aber der gute Schreiber für die eine Seite auch länger als der schlechte für zwei. Rechnet man dann pro Seite oder gar pro Zeile – auch das kommt vor – ab, wird Qualität richtiggehend bestraft: Je gehaltvoller der Text, desto schlechter das Geschäft für den Dienstleister.

Was also tut eine Corporate Publishing-Agentur, die für Unternehmen Texte produziert?

  • Modell 1 – Mehr Aufwand kostet mehr
    Abrechnung strikt nach Aufwand? – Darauf steigt kaum ein Auftraggeber ein. Der will schließlich im Voraus wissen, was sein Magazin kosten wird. Außerdem entsteht für die Agentur ein enormer Aufwand bei der Abrechnung und vielleicht auch manchmal die Versuchung, gemächlich oder übertrieben akribisch ans Werk zu gehen. Mehr Aufwand, mehr Umsatz … ein Modus, der auf Dauer selten gut geht.

  • Modell 2 – All you can read
    Hier haben wir das andere Extrem: Ein Pauschalpreis für alle Texte einer Ausgabe inklusive Korrekturdurchgänge. Das ist an und für sich sehr praktisch für den Kunden, denn die Agentur trägt das komplette Risiko für eventuellen Mehraufwand. Dieses Modell setzt allerdings gegenseitiges Vertrauen voraus. Der Kunde muss sich darauf verlassen können, keine Quick-&-Dirty-Lösungen zu bekommen. Aus Sicht der Agentur wiederum muss der Aufwand von Ausgabe zu Ausgabe kalkulierbar sein, darf also nicht allzu sehr schwanken.

  • Modell 3 – Stufenweise Transparenz
    Bei dieser Mischform definiert man zwei oder drei Aufwandsstufen pro Textseite – zum Beispiel eine für das bloße Redigieren beigestellter Texte sowie je eine für das Texten mit kleinem und großem Rechercheaufwand. Auch damit schafft man das Saint-Exupéry-Problem nicht aus der Welt, aber etwas transparenter wird die Sache. Und der Abrechnungsaufwand hält sich in Grenzen.

Fazit
Für den Anfang einer Zusammenarbeit ist Modell 3 wohl die beste Lösung. Sobald sich Vertrauen zwischen Agentur und Kunden gebildet hat, kann ein Pauschalmodell das Leben für beide Seiten leichter machen.

Bleibt noch eine Frage
Was hätte ich eigentlich bei diesem Artikel weglassen sollen? Als Honorar ist ohnehin eine Pauschale ausgemacht.

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