„Die Generation Alpha gibt es nicht"

Marketingblogs überschlagen sich mit Prognosen über die Nachfolger der Generation Z. Von uns befragte Experten lassen jedoch kein gutes Haar am „Generationenphantom“ und kritisieren „unterkomplexes Denken“.

Die nächste Generation erscheint auf dem Radar von Trendforschern und Marketingexperten: Nach den Babyboomern und den Generationen X, Y (auch bekannt als „Millennials“) und Z geht es quasi wieder von vorne los. „Generation Alpha“ bezeichnet jene Altersgruppe, die zwischen 2010 und 2025 geboren wurde bzw. wird. Der Wechsel vom lateinischen ins griechische Alphabet soll signalisieren, dass es sich dabei um „die transformativste Generation aller Zeiten“ handelt. Die „Screenager“ wachsen in einer weitgehend digitalen Umwelt auf, mit mobilen Devices in der Hand, und werden jeden Gedanken binnen einer Sekunde online übertragen. Sie werden besser ausgebildet, wohlhabender und gesünder sein als jede Generation zuvor. Doch welche Bedeutung haben derartige Vorhersagen? Wir haben Experten um ihre Meinung gebeten.

„Das vernebelt den Menschen das Hirn“
Von einem „Generationenphantom“ spricht Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung: „Die Generation Alpha gibt es nicht. Auch die Generationen X, Y und Z hat es nie gegeben.“ Diese Konzepte sind „Ausdruck eines unterkomplexen Denkens und vernebeln den Menschen das Hirn.“ Sie hätten keine empirische Grundlage, werden aus dem Bauch heraus erschaffen, wenn sie nicht gar einem „zynischen Kalkül im Kampf um Aufmerksamkeit“ entspringen. Die Eigenschaften, welche man den jeweiligen Generationen zuschreibt, würden stets mit den bei Marketingmanagern gerade angesagten Begriffen übereinstimmen.

„Generation“: ein überflüssiger Begriff?
Wer Generationen in den Mittelpunkt seines Denkens stellt, geht implizit von der Annahme aus, dass man nur anhand des Alters etwas über Vorlieben, Wertvorstellungen oder Lebenswünsche eines Menschen aussagen kann. Dabei reicht heutzutage selbst die ganze Palette an soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Haushaltseinkommen und Bildungsstand dafür nicht mehr aus. „Wer ist denn eigentlich der typische Vertreter irgendeiner Generation? Der 16-jährige Installateurslehrling aus Leoben oder die 16-jährige Schülerin aus dem Wiener Elitegymnasium?“, fragt Ikrath. „Was haben sie außer dem Alter gemeinsam? Gar nichts. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Lebenswelten“, so der Jugendkulturforscher. „Ich weiß nicht, ob in Marketinglehrgängen noch der Begriff der Zielgruppensegmentierung gebräuchlich ist. Anscheinend nicht, denn das würde jeden Generationsbegriff überflüssig, sogar unsinnig machen.“

„Nicht mehr als eine Generation Z 2.0“
Heike Riedl vom Institut für Marketing der Universität Graz wiederum spricht von einem Blick in die Kristallkugel. „Es gibt kaum akademische Quellen, die wir analysieren können, um ein klares Bild dieser Generation zu bekommen“, sagt die Universitätsassistentin. Die erwarteten Eigenschaften der Generation Alpha seien zudem nicht grundsätzlich neu. „Nach derzeitigen Einschätzungen handelt es sich eher um eine Generation Z 2.0.“ Allerdings könnte es auch ganz anders kommen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass sich zu jedem Trend auch stets Gegenbewegungen gebildet haben“, so Riedl. So könnte es zum Beispiel durchaus sein, dass die kommende Generation die Smartphone-Entwöhnung zum neuen Trend macht und zunehmend technikfreien Raum schafft. Kurz: Nichts Genaues weiß man nicht.

Von der Generation zur Zielgruppe zur Persona
Bei aller Kritik an seinen Begrenzungen: Der ursprünglich von Karl Mannheim im frühen 20. Jahrhundert entwickelte soziologische Generationsbegriff kann dazu anregen, über langfristige Entwicklungen nachzudenken. Mannheim zufolge teilen Menschen nicht nur den Geburtsjahrgang miteinander, sondern auch gemeinsame, prägende „Generationserlebnisse“ (zum Beispiel politische Ereignisse wie Kriege). Natürlich sollte man auf dieser Grundlage alleine keine Marketingkonzepte entwickeln – weder für Smartphones noch für Kundenmagazine. Dafür bietet sich – als Ergänzung zur Segmentierung von Zielgruppen – die Entwicklung von Personas an. Wie das im Corporate Publishing funktioniert, lesen Sie im Blogbeitrag Wie gut kennen Sie Ihre Zielgruppe?


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