Wie Marken glaubwürdig bleiben

Anker, Almdudler & Co.: Wie heimische Marken der Vertrauenskrise trotzen, weiß Brand-Designer Christian Thomas. 

„Eine Marke ist ein Code für Zugehörigkeit. Sie gibt mir Gewissheit und stärkt mich in meiner Identität“, sagt Christian Thomas, Markendesigner und Vorstand von designaustria. Für designaustria hat er die Ausstellung Austrian Brand Stories – Österreichische Markengeschichten kuratiert und dazu die Entstehungs- und Wirkgeschichte 26 österreichischer Marken recherchiert.

Marken, erklärt Thomas, waren ursprünglich nichts anderes als Zunftzeichen, die Handwerker auf ihren Produkten anbrachten, „damit der Käufer sicher sein konnte, dass der Tisch nicht wackelt oder umfällt“. Aus dieser Qualitätsgarantie entstand über die Jahrhunderte die Marke im heutigen Sinn: „Ein Code für Zugehörigkeit, der mir Gewissheit gibt.“

Ankerbrot: Symbol der Verlässlichkeit
Die meisten Marken, die Thomas in seiner Ausstellung präsentiert, entstanden entsprechend in Zeiten des Umbruchs. In Zeiten also, in denen der Mensch nach Gewissheit suchte: „Anfang des 19. Jahrhunderts war Österreich zerrissen von der Angst, dass die Welt zu Ende geht, dass der Vielvölkerstaat erodiert. Die industrielle Revolution hat die Menschen verunsichert, aber auch Fortschritts-Euphorie hervorgerufen. Diese Stimmung hat großen unternehmerischen Mut hervorgebracht.“ 

Damals entstand etwa Ankerbrot. Gegründet wurde das Unternehmen 1891 vom Brüderpaar Heinrich und Fritz Mendl, die eine alte Bäckerei in Wien/Favoriten zur größten Brotfabrik Europas ausbauten. Anfangs wurde dort bewusst nur eine einzige Sorte Brot gebacken – einfach, wiedererkennbar, für alle das Gleiche. Als Logo lancierte man den Anker, Symbol der Verlässlichkeit. Mittlerweile verkauft Anker alle möglichen Sorten Gebäck. Nur, dass der Konzern den Anker aus dem Logo fallen ließ, sieht Thomas mit Bedauern. 

Obstgarten: Frische Früchte statt Großkonzern 
Denn auch heute suchen Kunden wieder Halt in klaren Symbolen, wie damals ist heute vieles im Umbruch: „Klimakrise, COVID-19, wir haben Angst, dass Arbeitsplätze in großem Stil verloren gehen“, sagt Thomas. Doch anders als im 19. Jahrhundert kann die aktuelle, allumfassende Vertrauenskrise auch das Vertrauen in große Marken beschädigen. „Es gibt den Wunsch, zum Ursprünglichen, Handgemachten zurückzukehren“, sagt er. Einige große Marken würden schon Camouflage betreiben. So fehle auf dem Obstgarten von Danone mittlerweile der Konzernname: „Die Geschichte des Obstgartens, in dem frische Früchte von Hand geerntet werden, scheint stärker als das Logo des Weltkonzerns.“

Almdudler: Trachtenpaar trifft Zeitgeist
Um 2021 glaubwürdig zu bleiben, sei es umso wichtiger, wie eine Marke ihre Geschichte erzählt: „Marken müssen gesellschaftliche Veränderungen verstehen: Metathemen, Grundhaltungen, den moralischen Wandel – wie zum Beispiel die #MeToo-Debatte“, sagt Thomas. Als positives Beispiel nennt er Almdudler. Aus dem 1957 entworfenen, bodenständigen Trachtenpaar vor der Bergkulisse wurden in den letzten Jahren wahlweise auch zwei Burschen oder Mädchen. Man platzierte dieses Key-Visual im Rahmen des Life-Balls, setzte auf Diversity, blieb in Bewegung und am Puls der Zeit. Eine Markengeschichte zu erzählen, sei immer auch eine Gratwanderung zwischen Kontinuität und Wandel, sagt Thomas. Dabei brauche es Fingerspitzengefühl, denn der Mensch sei ein paradoxes Wesen: „Er liebt Abwechslung, doch Veränderung fürchtet er.“ 

Die Ausstellung „Austrian Brand Stories – Österreichische Markengeschichten“ ist vom 24. September bis 10. Oktober im designforum Wien im Quartier 21 des Wiener Museumsquartiers zu sehen. 

Fotos: Christian Thomas

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