Homeoffice: Ein Zimmer für mich allein?

Homeoffice bin ich ja gewöhnt – jahrelang habe ich als Journalistin fast ausschließlich von zuhause aus gearbeitet. Zunächst am Schreibtisch im Schlafzimmer; aber nachdem sich die direkte Aussicht aufs Bett auf die Produktivität schlug, irgendwann nur noch am Küchentisch. Der Umzug in eine neue Wohnung brachte mehr Platz und mir ein wahrlich luxuriöses Upgrade: ein eigenes Arbeitszimmer.

Vom Arbeitszimmer zum Escape-Room
Durchgehalten habe ich das Homeoffice zehn Jahre lang. Erst dann fiel mir die Decke auf den Kopf und ich wollte nicht mehr länger auf den täglichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion verzichten. Gemeinsame Mittagessen, ein Pläuschchen zwischendurch, wenn sich die sprachlichen Arabesken im Kopf schon so verknotet haben, dass gerade kein vernünftiger Satz mehr zu Papier zu bringen ist – das hat schon was. Im Arbeitszimmer wurde daher nicht mehr ganz so viel gearbeitet wie früher; eher wurde es zu meinem persönlichen Rückzugsraum, um dem Trubel, den drei Kinder zuhause so verursachen, ein paar Minuten zu entfliehen.

Konzentration statt Wäscheständer
Tja, und jetzt sitze ich also wieder zuhause, wie meine Kolleginnen und Kollegen bei Egger & Lerch und alle anderen, die gerade nicht an vorderster Front im Supermarkt, in den Spitälern oder bei Energieunternehmen den Alltag am Laufen halten. Ich bin’s ja gewöhnt – und doch ist es diesmal ganz anders. Denn das Homeoffice gemeinsam mit vier weiteren Haushaltsmitgliedern erfordert eine ganze Menge Planung. Während früher der vollgehängte Wäscheständer zur Prokrastination verleitete, wird er nun bis abends ignoriert; schließlich muss jedes Zeitfenster effizient genutzt werden. Und erst recht das Arbeitszimmer! Die Tür hinter sich zu schließen bedeutet nun nicht mehr, erst einmal gemütlich eine Tasse Tee zu trinken und dabei im Online-„Standard“ zu lesen, bevor man sich schließlich doch an die Arbeit macht, sondern: Schalter umlegen und Konzentration, bitte. Denn wer das Zimmer gerade nutzen darf, muss darin in kurzer Zeit so viel wie möglich weiterbringen, weil der andere schon in den Startlöchern scharrt.

Die Tür als Höhepunkt des Tages
Das Wichtigste, damit es mit dem Homeoffice und Homeschooling klappt, seien Routine und Disziplin. Das sagen jene, die es wissen müssen, weil sie sich von Berufs wegen regelmäßig in die selbst gewählte Klausur begeben. Deswegen gibt es hier seit Beginn der Ausgehbeschränkungen auch einen straffen Tagesplan, der morgens beim Frühstück festgelegt wird: Wer betätigt sich wann als HilfslehrerIn und hat ein Auge drauf, dass die schulischen Arbeitsaufträge nicht zu schnell hingeschludert werden? Gilt eine Folge „Es war einmal das Leben“ über Abwehrkräfte als Unterricht (ich finde ja schon!), wenn ich gerade ein paar Telefonate führen muss? Welches Kabel am Esstisch war noch gleich das Ladekabel für mein neues Notebook, das ich mir noch auf die Schnelle angeschafft habe, weil das altersschwache MacBook die Installation von Microsoft Teams verweigerte? Und die allerwichtigste Frage: Wer darf wann ins Arbeitszimmer, weil endlich programmiert (er) oder geschrieben (ich) werden soll? Die Tür hinter mir zumachen zu können ist jedenfalls mein Höhepunkt des Tages.

Die Umsetzung unserer Pläne funktioniert meistens, aber nicht immer. Etwa, wenn die Videokonferenz des Angetrauten doch länger dauert als geplant und sich mit einem Interview, das ich mit einer Impfstoffexpertin führen möchte, überschneidet. Ein Telefoninterview klappt schließlich nur mäßig, wenn sich im Hintergrund drei Kinder mit dem Sportprogramm der Nintendo Switch fit halten, im Wohnzimmer also Halligalli herrscht.

Aus die Maus?
Last exit Schlafzimmer also, bewehrt mit Notebook, Block und Stift. Jetzt bin ich da angekommen, wo ich nie mehr arbeiten wollte. Schreibtisch gibt’s hier keinen mehr, also auch keine Aussicht aufs Bett – da sitze ich nämlich schon drin, während ich im Gespräch mit einer Biotechnologin versuche, möglichst professionell zu klingen. Das hat so gut funktioniert, dass ich gleich darauf beginne, diesen Blogeintrag zu schreiben. Doch mitten im Schreibfluss bin ich alarmiert: Der Cursor zieht wilde Muster über den Bildschirm, klickt sich wahllos durch Programme. Das Touchpad berühre ich nicht einmal. Was zur Hölle ist hier los? Der neue Rechner wird doch hoffentlich nicht jetzt schon den Geist aufgeben? Und dann schwant mir etwas: Die Funkmaus liegt noch am Esstisch. Und tatsächlich: Als ich die Türe öffne, steht meine Jüngste davor und überreicht sie mir stolz. Ein Zimmer für mich allein? Spielt es nicht, denn die Kinder haben mich digital in der Hand.


Zwischen Kindern und Computer - Grenzen zwischen Homeoffice und Homeschooling gibt’s für die Autorin (leider) keine.

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Die bisherigen Episoden unserer Home-office-Serie finden Sie hier: