Wie gefährlich ist Flüchtlingshilfe für Unternehmen?

Die meisten Österreicher sind beim Thema der Stunde zumindest „besorgt“ – was bedeutet das für Unternehmen, die Hilfsaktionen für Flüchtlinge starten?

Sind Sie ein „Gutmensch“? Und hatten Sie kürzlich eine Diskussion zum Thema Flüchtlinge? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass bei dem Gespräch die Wogen hochgingen. Denn jeder zweite Österreicher glaubt, dass die Flüchtlinge einen negativen Einfluss auf das Land haben werden, schrieb der Meinungsforscher Peter Hajek im September im „profil“. Nur 24 Prozent sind positiv gestimmt. Seine Conclusio: „Derzeit deckt die große Hilfsbereitschaft eines kleineren Teils der Bevölkerung viel zu.“

Was bedeutet das fürs Marketing?
Das Flüchtlingsthema ist also ein kommunikatives Minenfeld. Die Vermutung könnte naheliegen, dass dies auch für Unternehmen gilt. Wie weit darf man sich bei diesem Thema aus dem Fenster lehnen, ohne allzu viele Kunden zu vergraulen oder gar einen Shitstorm zu provozieren? Oder sind solche Konsequenzen aus ethischen Gründen in Kauf zu nehmen? Diesen Fragen ging ein Artikel in „retail“ nach, der Zeitschrift des Handelsverbands, welche von Egger & Lerch redaktionell betreut wird (siehe www.retail.at).

Wo ist der Shitstorm?
Die vergangenen Wochen zeigten jedenfalls ein überraschendes Phänomen: Rewe, dm, Österreichische Post und viele andere Unternehmen in Österreich und auch in Deutschland – sie alle starteten Aktionen für die Flüchtlingshilfe. Doch keine Spur von Shitstorm: Die Resonanz auf Facebook und Co war überwältigend positiv. Bei der Post hieß es sogar: „Wir haben ausschließlich positive Rückmeldungen auf die Aktion erhalten.“ Die Unternehmensberatung Munich Digital Institute hat in einer Analyse (https://www.munich-digital.com/intelligence/asyldiskussion) der Flüchtlingsdiskussion in sozialen Medien festgehalten: „Der Tenor in den sozialen Medien ist positiver als allgemein angenommen.“ Interessanterweise ist der Anteil von negativen Kommentaren relativ konstant (zwischen 7 und 13 Prozent der Beiträge), während der Anteil positiver Beiträge sehr sprunghaft ist (zwischen 10 und 67 Prozent) und eher an einen konkreten Anlass gebunden zu sein scheint: „Beiträge mit positiver Tonalität fallen zumeist in Zeiten, in denen vermehrt über Flüchtlingskatastrophen oder Proteste gegen Flüchtlinge berichtet wird.“

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Latente und manifeste Dimensionen
Soziologe und Migrationsexperte Christoph Reinprecht von der Universität Wien weist auf einen wichtigen Unterschied hin: „In den sozialen Medien zeigt sich eine andere Meinung als in Telefonumfragen. Umfragen bringen eine latente Dimension ans Licht, das heißt Ängste und Sorgen, die gerne – und mit Erfolg – auch politisch instrumentalisiert werden.“ Die sozialen Medien würden hingegen die manifeste Dimension zum Ausdruck bringen. „Hier artikulieren sich jene, die etwas tun, sich mobilisieren, die aktiv sind – in welche Richtung auch immer. Und dazu zählt derzeit die große Zahl der Menschen, die helfen möchten und dabei das Bedürfnis verspüren, ihre Betroffenheit mit anderen zu teilen.“

„Vermeiden Sie politische Statements!“
Meinungsforscher Hajek erklärt sich die Lage folgendermaßen: „Gegen Hilfe für die Armen und Bedürftigen dieser Welt hat auch der Großteil jener Menschen nichts, die eigentlich gegenüber Flüchtlingen skeptisch eingestellt sind.“ Daher rät er: „Wenn man hilft, dann sollte man ausschließlich den menschlichen Aspekt in den Vordergrund stellen und politische Statements grundsätzlich vermeiden.“ Diesem Rat scheinen die Unternehmen wohl gefolgt zu sein.

Fotos: Fishermen's Friend, Egger & Lerch