Storytelling: Mehr als nur Kommunikation
Mit Geschichten kann man in Unternehmen vielseitig arbeiten: in der Führung, im Wissensmanagement oder in Change-Prozessen.
Für Yuval Noah Harari, den Autor von „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und „Homo Deus“, hat sich die Menschheit dank einer ganz besonderen Fähigkeit so erfolgreich entwickelt: Sie kann sich Geschichten ausdenken. „Geschichten halten soziale Systeme zusammen“, erklärt Michael Müller, Professor an der Hochschule der Medien Stuttgart. „Gruppen bis 120 Personen funktionieren gut auf der Basis von alltäglichen Gesprächen, von Small Talk. Aber wenn eine Gruppe größer wird, braucht sie einen gemeinsamen narrativen Rahmen, Antworten auf Fragen wie: Warum sind wir hier, wo kommen wir her, wo wollen wir hin?“
Das ist einer der Gründe, warum Storytelling nicht bloß für die Kommunikationsabteilung interessant ist, sondern auch für die Unternehmenssteuerung. Wir haben uns in einem Artikel für die Zeitschrift „retail“, die von Egger & Lerch für den Handelsverband erstellt wird, mit dem Thema „narratives Management“ beschäftigt. Narrativ? Professor Müller, der die Fortbildung „Professionelles Storytelling im Unternehmen“ entwickelt hat, erläutert das Wesen einer narrativen Struktur mit einem bekannten Beispiel: „Die Königin stirbt. Und der König stirbt“ ist keine Geschichte, sondern eine Beschreibung von Fakten. Aber: „Die Königin stirbt. Und der König stirbt aus Trauer“ ist eine Geschichte.
Gute Story, hoher Unternehmenswert
Zu den wichtigsten Geschichten in einem Unternehmen zählen jene über die Zukunft, Vorstellungen darüber, wohin die Reise des Unternehmens geht. Mitarbeiter wissen dadurch nicht bloß, was sie zu tun haben, sondern auch, warum sie es tun und was es für sie bedeutet. Auch um Konsumenten oder Investoren zu überzeugen, braucht es gute Geschichten. Jens Beckert vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, hat in Studien gezeigt, wie stark der Wert von Unternehmen von diesen Zukunftsgeschichten abhängt. „Welche Bewertung eines Unternehmens gerechtfertigt ist, das Jahr für Jahr Verluste macht, hängt ausschließlich von der Glaubwürdigkeit der Geschichte zukünftigen Wachstums ab“, schreibt er etwa in „Die Historizität fiktionaler Erwartungen“.
Instrument: „Storylistening“
In Veränderungsprozessen sind Geschichten besonders relevant. Nicht bloß in Form starker Zukunftsvisionen, sondern auch als Instrument, um die informellen Regeln der Mitarbeiter besser kennenzulernen. Diese Prägungen und Erfahrungen können zu Widerständen und Reibungsverlusten führen. Daher ist es wichtig, sie zu kennen. Mittels „Storylistening“ können Geschichten bei den Mitarbeitern eingesammelt werden – beim narrativen Management geht es also nicht nur ums Erzählen, sondern auch ums Zuhören. Müller: „Kennzahlen zeigen nur die Oberfläche von etwaigen Schwierigkeiten, Geschichten hingegen zeigen, wie sie entstanden sind.“
Verborgenes Wissen heben
Auch im Wissensmanagement können Storytelling-Methoden hilfreich sein. Wie macht man das Erfahrungswissen, das in den offiziellen Dokumenten eines Unternehmens nicht vorkommt, nutzbar? Zum Beispiel indem man Experten ihre Geschichten erzählen lässt. Denn diese enthalten viel Wissen, das in einem reinen Fakten-Gespräch verborgen bleibt.
Am 8. und 9. Juni findet in Hamburg übrigens die Konferenz „Beyond Storytelling“ statt, die sich der Förderung des Arbeitens mit Geschichten in Organisationen und Gemeinschaften verschrieben hat.
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