Plastikverpackung fürs Magazin – Teil 2: So schlecht wie ihr Ruf?

Warum verpackt man Print-Magazine immer noch in Plastikfolie? Wie wird Polyethylen wiederverwertet und entsorgt? Und sind Folien aus Bio-Kunststoff eine ernst zu nehmende Alternative?

Beitrag von Mag. Markus Deisenberger

Plastik ist immer noch die weitaus gebräuchlichste Form der Verpackung für Printmagazine. Das hat neben den bereits genannten Gründen (geringes Gewicht, Reiß- und Wasserfestigkeit) noch einen weiteren Grund: die geringere Produktionszeit. „Bei üblichen Auflagen einer Magazinproduktion braucht es derzeit einen Tag, das Magazin zu produzieren, zu sortieren und einzuschweißen“, erzählt Christian Grabner von der Druckerei Berger & Söhne. „Bei einem Kuvert aus Papier fallen zusätzlich ein bis zwei Tage und dadurch erhebliche Mehrkosten in Höhe von 35 bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten an“, so der Print-Spezialist. Ein weiteres schlagkräftiges Argument für die Plastikfolie also. Es sei auch nicht die Polyethylen-Folie (kurz: PE-Folie) an sich schlecht, sondern nur der Umgang mit ihr, meint Grabner.

Der Lebenszyklus einer Plastikfolie?
Tatsächlich? Ist letztlich nicht die Folie selbst, sondern der Mensch für ihren schlechten Ruf verantwortlich? Wir erinnern uns an den ersten Teil dieses Blogs: Verpackungsexpertin Apprich sprach von der Notwendigkeit, den gesamten Lebenszyklus einer Verpackung in Betracht zu ziehen. Wie sieht es mit dem Lebenszyklus einer Plastikfolie aus? Wird sie wiederverwertet?

Müll statt Wiederverwertung
Grundsätzlich ist die PE-Folie ein aus den organischen Grundsubstanzen Kohlenstoff und Wasserstoff bestehendes thermoplastisches Material, d. h., man kann es nahezu unbegrenzt einschmelzen und wieder zu neuen Produkten verarbeiten. Kann? Wohl eher: Könnte. Denn während es längst wiederverwendbare Frischhaltefolien für den Haushalt gibt, ist die Verpackungsfolie im Zeitschriften- und Buchhandel in der Regel eine Einwegfolie. Der Konsument bzw. Abonnent wirft sie, nachdem er Zeitschrift oder Buch ausgepackt hat, in den Müll.

Und was geschieht dann mit ihr? Wir haben bei der für Abfallwirtschaft zuständigen Wiener Magistratsabteilung (MA 48) nachgefragt. „Während Papier bei getrennter Sammlung verwertet und so wieder dem Kreislauf zugeführt wird, wird eine Kunststofffolie in Wien über den Restmüll entsorgt“, erläutert Ulrike Volk, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Das heißt, sie wird nicht verwertet. „Dafür wird ihr energetischer Inhalt genutzt, um Fernwärme und Strom zu produzieren“, so Volk. Von den rund 300.000 Tonnen Plastikverpackungsmüll, die in Österreich pro Jahr anfallen, werden nur 100.000 tatsächlich zu neuen Plastikprodukten*.

Der weitaus größere Teil geht in die thermische Verwertung. Vorteil: Es wird damit Energie erzeugt. Nachteil: Es entstehen Emissionen, denn letztlich ist „thermische Verwertung“ nur ein schönerer Ausdruck für „Verbrennung“. Genau das ist auch der Grund, weshalb viele Leute aus dem Bauch heraus eher zu Papier als zu Plastik tendieren. Papier wird recycelt und kompostiert. Plastik eher nicht. Das aber heißt nicht automatisch, dass es auch umweltfreundlicher ist. Denn wie in Teil 1 dieses Blogbeitrags bereits gezeigt, wird für die Herstellung von Papierkuverts fast doppelt so viel Energie benötigt wie für die Produktion von Plastikfolien, ganz zu schweigen von der deutlich höheren Belastung von Luft und Wasser durch Stickoxide, Schwefeloxide und andere Chemikalien, mit denen die Zellstofffasern behandelt werden.

Die niedrige Recyclingquote von Plastik will die EU übrigens ändern. Sie schreibt (im Rahmen des sogenannten Kreislaufwirtschaftspakets) eine Recyclingquote von 55 Prozent bei Plastikverpackungen (d. h. auch Folien) bis 2025 und 65 Prozent bis 2035 vor. Derzeit liegt die Quote in Österreich bei 34 Prozent und damit deutlich unter dem EU-Schnitt (Quelle: Eurostat). Dieses Ranking ist allerdings nur bedingt aussagekräftig, da die Berechnungsmethoden der einzelnen Länder divergieren. 

*Selbst für PET-Flaschen gilt: Insgesamt werden in Österreich nur 58 von 100 PET-Flaschen wiederverwertet und nur 24 Prozent davon wieder zu PET-Flaschen geformt.

Bio-Plastik: Eine Öko-Illusion?
Die Alternative zum Recycling von Plastik wäre Plastik, das kompostierbar ist und damit gar nicht erst zu Müll wird. Am häufigsten wird in diesem Zusammenhang Bio-Kunststoff genannt, d. h. ein Kunststoff, der nicht aus Erdöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere Glucose, Milchsäure, Stärke oder Cellulose, hergestellt wird. Wirklich neu sind diese Verfahren nicht. Plastikfolie aus Kasein etwa wurde bereits 1994 patentiert. Neu ist allerdings, sie medial als echte Alternative zu herkömmlicher Plastikfolie ins Spiel zu bringen. So ortet auch Reinhard Gugler von Gugler Print in Krems a. d. Donau ein geradezu „händeringendes Suchen nach Alternativen zu Plastik“.

Laut einem jüngst auf www.fipp.com (Network for Global Media) erschienenen Artikel gibt es dafür neben dem Wunsch nach Produktionskostensenkung und dem Streben nach Müllvermeidung vor allem einen Grund: das Bewusstsein der Konsumenten („audience concern“). Käufer und Abonnenten von Magazinen in Plastikverpackung seien durch die mediale Berichterstattung in hohem Maße sensibilisiert. Ihre Sorge, sie würden durch Kauf oder Abo einer in Einwegfolie verpackten Zeitschrift mitverantwortlich an der „Vermüllung des Planeten“, müsse man ernst nehmen, so der Tenor des Artikels.

Aber ist Bio-Plastik tatsächlich eine Alternative zu herkömmlichem Plastik? Ganz und gar nicht. Laut deutschem Umweltbundesamt zeigen Bio-Kunststoffverpackungen keinerlei Umweltvorteile gegenüber herkömmlichem Kunststoff.
Die Annahme, dass biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe generell umweltfreundlicher als konventionelle Kunststoffe seien, wird in der Studie ausdrücklich zurückgewiesen. Für Bio-Kunststoffe gebe es derzeit keine umfassenden Ökobilanzen, so das deutsche Umweltbundesamt. Es bedürfe daher weiterer Untersuchungen und Umweltbewertungen, um sicherzustellen, dass derartige Entwicklungen nicht in eine ökologische Sackgasse führen. Der Nachweis der ökologischen Vorteilhaftigkeit müsse dabei für jede einzelne Produktkategorie (d. h. also auch für PE-Verpackungsfolien) erbracht werden.

Bio-Plastik: Entsorgung ohne Sorgen?
Auch in einer aktuellen Studie der englisch-walisischen Umweltbehörde konnte die Bio-Folie – stark verkürzt wiedergegeben – in puncto Ökobilanz nur ein Unentschieden gegen die herkömmliche PE-Folie erringen. Schaut man sich an, wie Bio-Kunststoff hierzulande entsorgt wird, wird auch schnell klar, weshalb: „Genauso wie eine herkömmliche Kunststofffolie“, so Ulrike Volk von der MA 48 kurz und bündig. Bei der Kompostierung, erklärt Volk weiter, könne nicht zwischen Plastik und Bio-Plastik unterschieden werden. In den Kompostierungsanlagen werde Bio-Plastik deshalb genauso wie herkömmliches Plastik als Störstoff erkannt und abgeschieden. Und das sei laut Volk auch gut so, denn: „Die wenigsten als Bio-Kunststoff zertifizierten Kunststoffe zerfallen zur Gänze. Nur Bio-Kunststoffe mit der entsprechenden ENB-Norm garantieren den vollständigen Abbau.“ Deshalb hätten die meisten, wenn nicht fast alle Bio-Kunststoffe auch nichts in der Biotonne zu suchen, so Volk. Bio-Kunststoffe werden daher genauso verbrannt wie herkömmliche.

Verbrennung statt Kompost
Die Ironie daran ist: Eine aktuelle Studie des Imperial College London legt nahe, dass das auch die vernünftigste Form der Entsorgung ist. Die Wissenschaftler beschäftigten sich wochenlang mit den Zahlen zur Herstellung von Bio-Plastik, sie schätzten den Energieverbrauch für die Herstellung des Maisdüngers und den CO₂-Ausstoß aller Transporte. Daraus berechneten sie die Auswirkungen auf die globale Erwärmung, die Ozonschicht, das Grundwasser, die Böden und mehr. Ihr Ergebnis: In allen Umweltauswirkungen schneidet die Müllverbrennung besser als die Kompostierung ab oder zumindest gleich gut.

Auflösung?
Eine ebenso aktuelle Studie der Universität von Plymouth unterstreicht das: Untersucht wurde, wie biologisch abbaubar Bio-Kunststoff tatsächlich ist. Dafür wurden verschiedene Kunststoffe im Freien aufgehängt, im Meer versenkt und in die Erde eingegraben. Das Ergebnis: Am wenigsten Probleme mit der Fragmentierung gab es an der Luft, wofür – vermuten die Forscher – wohl der hohe Anteil an UV-Strahlung verantwortlich sein dürfte. Im Meer hatte sich der Bio-Kunststoff immerhin nach achtzehn Monaten aufgelöst. Im Boden allerdings war er selbst nach zwanzig Monaten noch vorhanden.

Das sind bei Weitem noch nicht alle Probleme, die sich aus der Verwendung von Bio-Kunststoffen ergeben können. Fragwürdig scheint insbesondere, dass bei der Produktion von Bio-Kunststoffen häufig gentechnisch veränderte Saaten zum Einsatz kommen – und das nicht in biologischem Anbau, sondern (wie etwa bei Mais) in großen Monokulturen angebaut wird. Zusätzlich konkurriert der Plastikmais mit dem Anbau von Lebensmitteln und Tierfutter.

„Plastikfrei“ als Trend
Nichtsdestotrotz verkündete die britische Tageszeitung „The Guardian“ schon Anfang dieses Jahres, bei der Verpackung seiner Erzeugnisse auf das aus Kartoffelstärke gewonnene Material Bioplast 300 zurückzugreifen. Nach dem bisher Gesagten mutet das eher als medienwirksamer Aktionismus denn als Aktion im Sinne der Nachhaltigkeit an. „Uppercase“, ein kanadisches Design- und Lifestyle-Magazin, stellte medienwirksam auf zu 100 Prozent recyceltes Papier um. Ebenso das in unseren Breitengraden bekanntere „National Geographic“.

Wer trägt die Kosten?
Interessant am Beispiel „Upperclass“ ist, dass die Herausgeberin Janine Vangool offen über die damit verbundenen Mehrkosten und deren Refinanzierung sprach. Konkret koste die Umstellung von PE-Folie auf Recycling-Papier pro Ausgabe mindestens 4.000 Euro, so Vangool – Kosten, die sie aber beinahe zur Gänze an die Abonnenten weitergeben wolle. Denn 80 Prozent der Abonnenten hätten positiv auf eine entsprechende Zuschrift reagiert und sich bereit erklärt, einen künftig höheren Preis für ihr Abo in Kauf zu nehmen, wenn die Zeitschrift dafür frei von Plastik werde.

Die perfekte Verpackung: Keine
Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus der Verpackung, ist PE-Folie wesentlich umweltfreundlicher als nicht recycliertes Papier. Auch Bio-Plastik ist, was die derzeitigen Möglichkeiten der Müllverarbeitung anbelangt, noch keine wirkliche Alternative. Wiederverwertbare Verpackungen (z. B. Recycling-Papier) wiederum sind deutlich teurer. „Am besten ist natürlich keine Verpackung“, sagt Ulrike Volk von der MA 48. Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Allerdings gibt es eines zu bedenken: Wer die bloße Adressierung ohne Verpackung für sein Magazin wählt, tut der Umwelt zweifelsohne Gutes, muss die Kosteneinsparung aber gegen mögliche Transportschäden und Retouren beschädigter Ware abwägen.

Was tun Sie?
Was den völligen Verzicht auf Verpackung betrifft, braucht es auch noch einiges an Bewusstseinsbildung, gibt Christian Grabner von der Druckerei Berger & Söhne zu bedenken, und damit trifft er einen Punkt. Denn Hand aufs Herz: Seit neuerdings in den Buchläden auf den Bücherstößen zuoberst nicht die in Plastikfolie, sondern lediglich mit Papier-Banderole umwickelten Exemplare liegen: Nach welchem Buch greifen Sie? Nach dem umweltfreundlich nicht eingepackten? Oder nach dem in Plastikfolie eingeschweißten, weil sie es instinktiv als neuer, unbenutzter und vielleicht sogar sauberer empfinden?

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Lesen Sie auch Teil 1 unseres Verpackungs-Specials