„Männer sind einfacher zu fotografieren“
Für das Magazin „studio!“ der FHWien schießt Philipp Tomsich regelmäßig markante Porträts von Prominenten. Wir haben mit dem Fotografen über Bildkonzepte, Retusche und das Rezept für gelungene Bilder gesprochen.
Die Porträts für „studio!“ sind sehr markant, besonders, weil außer den Augen kaum etwas scharf ist. Wie ist dieses Konzept entstanden?
Die Idee kam damals von euch, von Gabriel Moinat. Er hatte genaue Wünsche für das erste Bild: Nahe Aufnahme, viel Unschärfe – auch für die Beleuchtung hatte er exakte Vorstellungen.
Hat sich am Konzept seither etwas verändert?
Das Licht ist im Verlauf der Serie nicht immer gleich geblieben. Erstens, aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten vor Ort, zweitens wäre immer gleiches Licht auch fad und drittens muss die Beleuchtung auch zur Person passen. Das aktuellste Bild, das von Carl Manner, habe ich erstmals nicht frontal aufgenommen. Mir hat es so besser gefallen, weil man von vorne seinen Hals nicht sieht.
Wie viel Nachbearbeitung steckt in den Bildern?
Von mir ungefähr eine Stunde. Den Feinschliff bei den Hauttönen und das Schärfen überlasse ich eurem Bildbearbeiter Reinhard Lang – das sollte jemand machen, der den Überblick über das Magazin hat, weil man dabei auf Format, Papier und andere Fotos Rücksicht nehmen muss.
Don E. Schultz & Karim El-Gawhary
Wie viel Bearbeitung empfindest du als zulässig?
Ich versuche schon, ein ehrliches Abbild zu erzeugen. Ein großer Teil meiner Bearbeitung ist im Prinzip „digitales Abpudern“. Ist es ehrlicher, wenn eine Visagistin beim Shooting dabei ist und abpudert? Ich habe aber keines der Fotos „verflüssigt“, um jemanden schlanker zu machen oder um die Größe der Augen anzupassen. Schwierig ist es, wenn ein Muttermal im unscharfen Bereich oder im Schatten liegt – dann ist es oft nicht als Muttermal erkennbar und schaut aus wie Schmutz. Da stellt sich die Frage, ob man das wegretuschiert.
Hast du ein Lieblingsbild aus der Serie?
Ich habe mehrere Favoriten – Carl Manner, Hannes Androsch, Gunkl, Johannes Gutmann, ...
Alles Männer?
Ja – ich weiß auch nicht genau, warum. Sie sind einfacher zu fotografieren. In unserem Fall haben auch fast alle ein dunkles Sakko getragen und das macht immer einen schönen Rahmen – bei den Damen hatten wir diesen Effekt oft nicht, auch wenn sie gut gekleidet waren. Natürlich will ich jetzt auch keine Kleidungsvorschriften verordnen, das ist einfach eine Geschmacksache. Bei der Serie für „studio!“ kommt dazu, dass man bei vielen Frauen mit der Kamera nicht so nahe herangehen kann, weil sonst die Haare angeschnitten werden, was nicht immer gut aussieht. Bei längeren Haaren verschwindet auch ein wenig der Tiefeneffekt.
Anneliese Rohrer & Carl Manner
Die Porträtaufnahmen für „studio!“ im Anschluss an die Interviews dauern meistens 15-20 Minuten. Kann man in dieser Zeit Top-Qualität erzielen?
Am besten wäre natürlich, man geht nach dem Interview gemeinsam ins Fotostudio.
Ein gutes Foto ist aber auch mit wenig Zeit und Budget möglich. Am Times-Cover war einmal ein Foto von Steve Jobs, das innerhalb einer Minute entstanden ist. Ich habe auch oft weniger Zeit. Einmal habe ich einen hochrangigen Politiker porträtiert, da hat mir der Pressesprecher vorher gesagt: Wenn er gut aufgelegt ist, hast du 120 Sekunden. Und so war es auch.
Woran liegt es, ob man in kurzer Zeit ein gutes Foto bekommen kann?
Unter anderem an der Professionalität. Wenn jemand Erfahrung vor der Kamera hat, merkt man das. Thomas Hofer und Karim El-Gawhary zum Beispiel waren sehr unkompliziert, beides Vollprofis, Hofer hatte sogar Puder dabei. Aber vielen fehlt die Professionalität, gerade in der österreichischen Politik. Da passen die Pressesprecher darauf auf, was jemand sagt, aber wenige denken daran, ein zweites Sakko oder eine zweite Krawatte mitzunehmen.
Was ist dein wichtigster Tipp für Foto-freundliche Kleidung?
Intensive Farben spiegeln immer am Kinn und sind deshalb nicht zu empfehlen. Besonders rote Kleidung ist ganz schwer zu fotografieren – mir kommt vor, bei Rot haben auch die Kameras eine Schwäche.
Wen würdest du gerne einmal porträtieren?
Schwarzenegger, weil er vom Gesicht her immer interessanter wird. Außenminister Kurz wäre auch reizvoll – in 10 Jahren ist er vielleicht Bundeskanzler, da wäre es spannend, ihn jetzt zu porträtieren. Ich habe ihn sogar schon einmal fotografiert – im Kebabstand, für „das Biber“, das war aber kein Porträt. Oft finde ich es übrigens schade – klingt seltsam, ich weiß – wenn ein Prominenter stirbt, weil mir dann bewusst wird, dass ich die Person nie fotografieren können werde.
Was sind deine beruflichen Ziele?
Ich versuche derzeit, größere Projekte zu bekommen. Allerdings verbringe ich meine Freizeit lieber mit meiner Familie, als Networking zu betreiben. Wenn sich herausstellen sollte, dass man nur über Beziehungen an größere Aufträge kommt und Qualität alleine nicht reicht, dann lasse ich es vielleicht irgendwann auch. Dann werde ich Bio-Bauer.
© Reinhard Lang