Der/die/das Firmenmagazin – Gendern im Corporate Publishing

Auch im Corporate Publishing entscheiden sich immer mehr Kundinnen und Kunden, ihre Publikationen zu gendern. Das heißt: Sie wollen ihre Inhalte bewusst so formulieren, dass sich Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen fühlen. Doch … das ist leichter gesagt als getan.

Jahrhundertelang gab die deutsche Sprache Männern den Vorzug vor Frauen – und das spürt man bis heute. Wenn eine Person ihren schwierigen Job in den Griff bekommen hat, sagen wir, sie ist dieser Aufgabe „Herr“ geworden. Die Polizei nutzt „Mannschaftswagen“, auch wenn Polizistinnen darinsitzen. Und so weiter und so fort.

„Eliminieren Sie alle Mitarbeiterinnen!“
Wenn sich also Firmen entscheiden, ihren Newsletter, ihr Print- oder Online-Magazin zu gendern, bringt die neue Form gerade am Anfang oft Stilblüten hervor. Ist von einer Person aus dem Team die Rede, schreiben firmeninterne Texterinnen und Texter „der Mitarbeitende“ statt „der Mitarbeiter“ und meinen, dies sei schon gegendert. Dabei ist das Wort „Mitarbeitende“ nur im Plural genderneutral. Wohlmeinende gendern ohne zu zögern positiv besetzte Begriffe wie „HelferInnen“ oder „KollegInnen“, geht es aber um „Betrüger“ oder „Angeklagte“, bleiben diese männlich – dabei soll es durchaus auch weibliche „BetrügerInnen“ geben. „Der geringe Frauenanteil bei Gynäkologinnen ist bedenklich“, kritisierte dagegen eine Institution die hauseigene Statistik. Einige Firmen stehen dem Gendern allerdings grundsätzlich skeptisch gegenüber: „Wir mögen das Gendern nicht. Bitte eliminieren Sie alle Mitarbeiterinnen im Heft“, ließ uns einmal die Leiterin einer Kommunikationsabteilung im Wortlaut wissen.

Dort, wo AuftraggeberInnen das Gendern jedoch dezidiert wünschen, stellt sich die Frage: Wie geht die Redaktion elegant damit um? Wie formuliert sie gendergerecht, entspannt und lesbar? Hier bietet ein Online-Wörterbuch Hilfe. Geschicktgendern.de sammelt Präzedenzfälle, schlägt gendergerechte Synonyme vor und bleibt dabei – ähnlich der Wikipedia – offen für Kritik und Alternativvorschläge. Einige Synonyme sind noch immer wesentlich länger als das „maskuline“ Original, manches wirkt umständlich – und trotzdem: das Genderwörterbuch kann zumindest Varianten aufzeigen und inspirieren. Vielleicht wird sich über Plattformen wie geschicktgendern.de ein gemeinsamer Standard entwickeln – sodass wir in zehn, zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr überlegen müssen, wie wir einen „Mitarbeiter“ so bezeichnen, dass sich auch weibliche Mitarbeitende angesprochen fühlen.

Fünf Fragen an Johanna Usinger, Gründerin von geschicktgendern.de

Seit wann gibt es Ihr Online-Genderwörterbuch?
Es ist im Februar 2015 online gegangen, hat also sein fünfjähriges Jubiläum. Die Idee kam von mir. Inhaltlich habe ich die Seite geschicktgendern.de komplett alleine gestaltet und bin mit einer Wörtersammlung von 150 Begriffen gestartet. Mein Bruder hat das Webdesign übernommen.


Was war die Motivation?
Ich hatte 2013/2014 selbst die Vorgabe, in meiner Masterarbeit gendergerecht zu formulieren. Ich kannte bis dahin nur die Schrägstrich-Form oder die Doppelnennung, die ich als umständlich empfand. Im Internet bin ich dann auf Ratgeber von Kommunen oder Hochschulen gestoßen, die gängige Schreibweisen zusammengefasst haben. Ich dachte: Warum hat jede Institution ihren eigenen Ratgeber? Viel praktischer wäre doch eine zentrale Website! Auch in meinem Umfeld gibt es viele, die zwar gendergerecht schreiben wollen, aber nicht genau wissen, wie sie das gut umsetzen können.
Mittlerweile gibt es mehrere Seiten dazu – mit unterschiedlichen Ansätzen und unterschiedlicher Qualität. Sehr empfehlen kann ich genderleicht.de, die umfangreiche Infos zum Thema bietet – und dabei sachlich und neutral bleibt, was auch mein Ansatz ist.


Wie groß ist das Interesse an Ihrem Projekt?
Wir wissen von gut 1.500 Besuchen pro Wochentag. Im Monat sind es rund 30.000–35.000 Besuche.

Können alle, die Ihr Wörterbuch nutzen, auch Vorschläge einarbeiten?
User*innen können Wörter, die es im Wörterbuch noch nicht gibt, einsenden. Dann können wiederum andere User*innen Alternativen schicken. Dadurch ist das Wörterbuch auf über 1.000 Begriffe angewachsen und wird ständig erweitert.

An der Gegenüberstellung der Begriffe auf Ihrer Seite – klassisch/gendersensibel – sieht man, dass der Großteil der genderkorrekten Synonyme länger und umständlicher ist. Wie könnte man das zukünftig vermeiden?
Ob diese Formulierungen „umständlicher“ sind, möchte ich nicht beurteilen. Manche Vorschläge sind vielleicht länger, wenn die Alternative dazu das ‚generische Maskulinum‘ ist. Wenn ich aber die neutralen Begriffe der Beidnennung gegenüberstelle, sind sie oft sogar kürzer: Aus „Lehrerinnen und Lehrer“ werden zum Beispiel „Lehrkräfte“. Ich glaube, vieles ist Gewöhnungssache. In anderen Sprachbereichen haben wir ja auch kein Problem damit, dass neue Begriffe länger sind: „Smartphone“ hat mehr Zeichen als „Handy“. Und es ist selbstverständlich, „sehr geehrte Damen und Herren“ zu sagen. Niemand käme auf die Idee, nur die „sehr geehrten Herren“ zu begrüßen, weil es kürzer und weniger umständlich ist.

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