Der Lektor und der Lack am Auto
Ein repräsentatives, qualitativ hochwertiges Produkt muss nicht nur solide Grundlagen haben, sondern auch an der Oberfläche fehlerfrei glänzen. Das gilt für ein Magazin genauso wie für ein Auto.
Vorgestern traf ich einen Freund im Zug. „Zu Kundenterminen öffentlich anzureisen, ist mühsam“, jammerte er. „Morgen krieg ich zum Glück mein Auto wieder. Es musste nach einem Parkschaden frisch lackiert werden.“ „Ist das denn notwendig?“, fragte ich als autolose Öffifahrerin. „Das Auto fährt doch auch so!“
Natürlich tut es das. Mein Freund aber erklärte mir, dass schadhafter Lack zu Rost führe, der die Karosserie zerstöre. Außerdem trage das Auto sein Firmenlogo. „Ich kann doch nicht mit einem verkratzten Vehikel meine Firma repräsentieren!“, sagte er.
Stimmt. Dinge, auf denen das Firmenlogo prangt, müssen perfekt sein. Das ist auch bei Firmenzeitschriften so. Gute Texte und ansprechende grafische Gestaltung sind der Motor, der die Information zum Leser bringt. Aber der Feinschliff, das Lektorat, ist mitentscheidend dafür, dass ein Magazin zum Qualitätsprodukt wird.
Es ist noch gar nicht lange her, da stellte ein Kunde das Lektorat bei der Produktion seiner Mitarbeiterzeitschrift infrage. „Die meisten Leute bei uns können sowieso nicht richtig Beistriche setzen“, argumentierte er. „Vielleicht“, so konterte ich, „registriert nicht jeder Leser jeden Fehler, aber jeder Fehler, der von einem Leser gefunden wird, steht für Schlampigkeit.“ Außerdem sind Beistriche, Orthografie und korrekte Grammatik für die Lesbarkeit eines Textes wichtig. Last but not least zahlt sich die Einsparung des Korrektorats kaum aus. Im konkreten Fall lagen die Kosten für zwei Korrekturdurchläufe unter einem Prozent der gesamten Produktionskosten.
Heute traf ich meinen Freund mitsamt seinem Auto wieder. „Schön ist es geworden!“, lobte ich. Er war nicht zufrieden, wies mich auf eine kleine unebene Stelle am Kotflügel hin, die ich von selbst bestimmt nicht gesehen hätte. Ich kann seinen Unmut verstehen. Auch ich ärgere mich, wenn gelegentlich trotz Lektorat ein Fehler im Magazin bleibt.
Diese Kolumne erschien erstmals in der Printausgabe der Tageszeitung "Der Standard" vom 5. Dezember.