Standard-Kolumne Renate Süß

Wie leise Töne wirken

Wer kommuniziert, will gehört werden. Aber muss man unbedingt immer laut und schrill agieren, um aus der Masse an Medien herauszustechen?

Als wir vor ein paar Wochen Verstärkung für unsere Redaktion suchten, habe ich viele Bewerbungsschreiben durchgearbeitet. „Bezugnehmend auf Ihr Inserat ...“ las ich in neun von zehn Fällen. Oder „Ihre Anzeige hat mich sofort angesprochen, weil ...“

Es gibt aber auch die Kandidaten, die alles ganz anders machen. Drei stiegen mit einem Zitat ein, eine Redakteurin verfasste ihr Anschreiben als Erlebnisaufsatz, einer schrieb sogar aus Sicht seines Kugelschreibers. Solche Bewerbungen fallen auf. Das kann ein Vorteil sein, oder –   wenn es schlecht gemacht ist – sofort disqualifizieren.

Manchmal kommt mir vor, als wäre aufzufallen um jeden Preis die Devise, ganz nach dem Motto: „Any publicity is good publicity.“ Das gilt nicht nur für Bewerbungen, sondern auch, wenn Unternehmen kommunizieren.

Klar, man will wahrgenommen werden. Texte, Bilder, Videos, Layouts und Events wirken nur, wenn sie aus der Masse hervorstechen. Dabei wird mitunter aber vergessen, dass es nicht nur darauf ankommt, dass etwas wirkt, sondern auch wie. Schrilles Auftreten generiert vielleicht Klicks im Netz, regt die Community zu Kommentaren an, bringt ein Unternehmen ins Gespräch. Aber schafft es auch Sympathien? Verkauft man sich, seine Marke oder sein Produkt damit wirklich gut?

Nicht selten kommt das Besondere eher leise daher – und manchmal findet es genau deshalb umso aufmerksameres Gehör. Hervortun kann man sich auch durch Eleganz, Esprit, feinen Humor und Fachkompetenz. Nicht immer erzielt man damit den schnellen Erfolg, oft aber einen nachhaltigen.

Auch wir haben uns am Ende nicht für den Bewerber 
mit dem schrillsten Anschreiben entschieden, sondern für den mit den besten Textproben. Mit Qualität liegt man eben nie falsch.

Diese Kolumne erschien erstmals in der Printausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ vom 21. Mai.