„Veränderungen so früh wie möglich ankündigen“

Unternehmen stehen immer öfter vor der heiklen Aufgabe, Veränderungen zu kommunizieren. Gerald A. Hollaus hat im Rahmen seiner Dissertation analysiert, welche Erfahrungen internationale Konzerne dabei gemacht haben und welche Wege den besten Erfolg versprechen.

Wie sind Sie auf das Dissertationsthema „Mögliche Funktionen der Medien im Prozess des Change Leadership“ gekommen?
Wenn in einem Unternehmen Veränderungen anstehen, gilt es, die ganze Belegschaft zu überzeugen, an einem Strang zu ziehen. Ich habe zuerst in kleineren Unternehmen, dann in einem Konzern und zuletzt für Privatinvestoren gearbeitet. In größeren Firmen stößt man rasch an die Grenzen persönlicher Kommunikation, deshalb habe ich mich immer gefragt: Wie erreicht, informiert und motiviert man am besten eine große Masse an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Weil sich Unternehmen heute deutlich öfter, rascher und radikaler verändern als vor einigen Jahrzehnten, brennt die Frage immer heißer. Auch die Auswahl an Medien und Instrumenten ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen.

Warum stößt man bei Veränderungen oft auf Widerstand in der Belegschaft – auch wenn die Neuerungen nichts Negatives sind?
Der Grund für den Widerstand sind oft Mängel in der Kommunikation. Dazu gibt es Studien; außerdem haben mir das Fachleute aus internationalen Unternehmen bestätigt, die ich interviewt habe. Wenn anstehende Veränderungen verheimlicht werden, gibt es Misstrauen und Gerüchte und es entsteht automatisch Widerstand. Veränderungen sollte man so früh wie möglich ankündigen – auch wenn es inhaltlich noch nicht viel zu sagen gibt. Die Prozess-Kommunikation sollte zumindest das Thema, eine Erklärung für das Warum und den Zeitpunkt der nächsten Information liefern.

Persönliche Kommunikation gilt als unersetzlich. Aber wie persönlich kann das Spitzenmanagement bei mehreren tausend Mitarbeitern noch kommunizieren? Eine Nachricht über mehrere hierarchischen Ebenen persönlich weiterzugeben ist wie ein Stille-Post-Spiel: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Nachricht am Ende der Kette falsch verstanden oder kommt gar nicht an. Meine Empfehlung ist eine breite Kommunikation am Anfang: Relativ persönlich sind zum Beispiel Betriebsversammlungen – falls notwendig mit Videoübertragung, wenn mehrere Standorte eingebunden werden müssen. Dabei sollte es sowohl eine direkte Rückfragemöglichkeit geben, als auch anschließende persönliche Gespräche in den einzelnen Abteilungen, um spezifische Fragen zu klären und bei Bedarf ebenso nochmals Rückmeldung an das Management geben zu können. Parallel dazu empfiehlt sich das Intranet für eine begleitende Kommunikation zur nochmaligen Unterstützung der gesendeten Botschaften. Der Vorteil dieses Vorgehens ist: Es sind alle auf dem gleichen Stand und das Wissen wird für alle transparent und sichtbar gemacht. Ein Grundsatz sollte sein: Sage allen alles!

Welche Kanäle sollte man im weiteren Verlauf wählen?
Es gibt nicht DIE drei Medien, die man unbedingt braucht – man muss wissen, wie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunizieren. Jedes Unternehmen hat eine eigene Kommunikations-Kultur und bestimmte Kanäle erfüllen bestimmte Aufgaben. Wichtig ist, dass neue Inhalte nicht über neue Kanäle gesendet werden, das gibt sonst doppelte Verwirrung. Gerade für das Thema Change empfiehlt es sich, bereits etablierte Medien einzusetzen oder neue Kanäle rechtzeitig einzuführen. Bei digitalen Kanälen ist Vorsicht geboten, denn dieses bergen das Risiko, dass die Verbreitung der Botschaften nur schwer kontrollierbar ist: Fehler verbreiten sich schnell und sind kaum korrigierbar. Es ist übrigens ebenso ein Irrtum, dass man junge Menschen besser digital erreicht – Kanäle sind nicht altersabhängig.

Welche Rolle spielt die Ausgestaltung der Inhalte?
Ausgestaltung und Kanalwahl stehen zueinander wie Effektivität und Effizienz: Es sind die „richtigen“ Botschaften zu transportieren, und sie müssen über ausgewählte Kanäle transportiert werden. In den von mir geführten Interviews hat sich gezeigt, dass es vor allem darum geht, zielgruppenadäquat hervorzuheben, was jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter persönlich betrifft. Wenn in der Produktionshalle die Maschinen getauscht werden, hat das auf den Produktionsmitarbeiter andere Auswirkungen – wird er überflüssig? – als auf die Verwaltung; für die heißt das nur, es wird Baustaub geben. Es ist darauf zu achten, dass in der Sprache des Mitarbeiters gesprochen wird, das heißt konkret: nicht in der Konzernsprache Englisch, und ohne Abkürzungen einzusetzen, wenn sie nicht sicher alle verstehen.

In Ihrer Arbeit erwähnen Sie, dass es sinnvoll ist, die Botschaften in Geschichten zu verpacken. Was hat es damit auf sich?
Ich muss in den Köpfen des Publikums Bilder erzeugen. Dass wir uns Botschaften aus Geschichten gut merken, kommt aus dem Unterbewusstsein: Um etwas zu verinnerlichen, muss man es sehr oft wiederholen, und mit Bildern geht das schneller als ohne. Dazu gibt es viele Erkenntnisse aus der Neurologie. Die Botschaften oder ebenso Ziel sind als Geschichten zu formulieren, damit sie durch unser Unterbewusstsein überhaupt richtig aufgenommen und verinnerlicht werden können.

Auf was muss man sonst noch achten?
Zwei wichtige Punkte gibt es noch: Erstens muss man den richtigen Absender wählen. Informationen sollen nicht anonym „vom Unternehmen“ kommen, sondern von einer konkreten Person, die auch die entsprechende Kompetenz hat und Verantwortung trägt. Zum Thema Gesundheit lässt man zum Beispiel besser den Betriebsarzt sprechen als den Vorstand. Zweitens muss man sich bewusst sein, dass man bei Veränderungen emotional mehrere Phasen durchläuft und sich die Betroffenen in verschiedenen Stufen befinden. Das Management hat eine Entwicklung schon akzeptiert, während die Mitarbeiter noch verwirrt sind. Wenn ein neues EDV-System eingeführt wird, ist für den Vorstandschef das Projekt schon abgeschlossen, während der Mitarbeiter die Schulung für das neue EDV-System erst vor sich hat. Darauf muss Rücksicht genommen werden – die Kommunikationsabteilung ist oft schon einen Schritt weiter als die Zielgruppe. Letztendlich muss so lange kommuniziert werden, so lange es etwas zu sagen gibt.

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Zur Person
Gerald A. Hollaus hat seine Dissertation an der Paneuropäischen Universität Bratislava dem Thema Medien im Change Leadership gewidmet und die Erfahrungen von Managern und Experten aus Großunternehmen gesammelt. Nun hat er ein Österreich-Büro für das Londoner Beraternetzwerk Positive Momentum eröffnet und betreut Projekte zum Thema interne Kommunikation im Change-Prozess und Mitarbeiterentwicklung und operative Projekte zur Performancesteigerung.