Textmenü mit Haube, bitte!

Müssen wir beim Konzipieren und Schreiben einer Zeitung zwischen sprachlicher Hochwertigkeit und breiter Leserschaft wählen? Ist beides möglich? Oder sind Qualität und Leselust gar ein Paar, das unbedingt zusammen­gehört? 

Beim Essen gibt es zwei Trends: schnelle Fertigküche und als Gegenpol dazu das sogenannte Slow Food, liebevoll zubereitete, anspruchsvolle Gerichte. In der Firmenkom­munikation ist es ähnlich. Man kann von „Geiz ist geil“ und Co. halten, was man will – solche markanten Werbe­sprüche sind einprägsam und in 30-Sekunden-Fernsehspots bestens aufgehoben. Wer mit seinen Kunden differenzierter kommunizieren will, wird mit einem Slogan allerdings nicht das Auslangen finden. Zeitschriften sind das ideale Medium für Hintergrund­informationen, die Darstellung verschiedener Sichtweisen, Kommentare, Reportagen und mehr. Sie mit Fast-Food-Marketings­prüchen zu füllen ist, wie wenn man im Haubenlokal einen Cheeseburger bestellt. 

Mut zum Inhalt
Trotzdem sind viele Unternehmens­magazine von herkömmlicher Werbung kaum zu unterscheiden. Die wichtigsten Produkt- oder Unternehmens­benefits werden einfach in etwas längere Sätze gegossen – und verlieren dadurch nur an Knackigkeit und Werbewirk­samkeit. Dass bei Firma XY Kundenservice an erster Stelle steht und die Produkte innovativ sind, reißt keinen Kunden vom Hocker. Firma YZ behauptet dasselbe auch von sich. Solche Eigenschaften für sich zu beanspruchen, ist billig und unglaubwürdig. Die Zeitschrift landet im Müll. Der Trugschluss, der daraus vielfach gezogen wird: Der Konsument nimmt sich nicht mehr genug Zeit zum Lesen, er will gar keine Zusatzin­formationen. Das Gegenteil ist der Fall: Nur wenn ein Text inhaltlichen Mehrwert bietet, wird er gelesen! 

Ungeniert differenziert
Eine gute Kunden­zeitschrift beweihräuchert weder die Firma noch ein Produkt. Selbstverständlich stellt sie die Vorzüge in den Vordergrund – aber nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Besser ist es, Kritik zuzulassen. Auf Schwachpunkte oder auch Vorurteile gezielt einzugehen, kann sogar ein großer Vorteil sein. In einer Zeitschrift hat man nämlich die Möglichkeit, umfassend zu informieren und zu argumentieren. Genau damit aber kommen wir zum zweiten wichtigen Qualitätspunkt. Differenzierte Inhalte verlangen eine differenzierte Sprache. 

Du bist, was du sagst
Wenn wir Wittgenstein glauben, der schreibt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, dann müssen wir auch den Umkehr­schluss zulassen, dass die Sprache unsere Welt bestimmt. Wer also nur mit leeren Plattitüden von Innovation und Service um sich wirft, wird auch nur jene ansprechen, die leer sind und nichts suchen. Ist das das Kundenbild mancher Marketing­abteilungen? Ist es ihr Ziel, sinnesleere Idioten mit Sinnlosig­keiten zu versorgen? Und was steckt in letzter Konsequenz dahinter? Gibt eine Firma damit nicht zu, selbst nur Überflüssiges zu produzieren? 

Billigboulevard, nein danke
Für die Banalität in Inhalt und Sprache spricht der Boom einiger kleinformatiger Zeitungen. Offensichtlich genügen sie vielen Österreicher­innen und Österreichern als politische und gesellschaftspolitische Informationsquellen. Inwieweit diese Anspruchslosigkeit eine Folge der Politikmüdigkeit ist oder umgekehrt die Politikmüdigkeit beschleunigt, sei dahingestellt. Ein Gefühl der Resignation zu erzeugen oder zu verstärken, ist jedenfalls kein gängiges Ziel der Unternehmens­kommunikation. Auch insofern ist im Corporate Publishing von den Methoden des Billigst­boulevards dringendst abzuraten.

Bilder im Kopf? 
Dem Zusammenhang von sprachlicher Qualität und Glaubwürdigkeit bei Tages­zeitungen ging 2009 eine Umfrage von Protext, einer TexterInnen­vereinigung, nach. 80 % der Befragten gaben an, sich über sprachliche Fauxpas in Zeitungen zu ärgern, über 90 % machten die Glaubwürdigkeit von Texten zumindest teilweise von gekonnter Sprachnutzung abhängig. Und das schließt nicht nur die Beherrschung von Grammatik und Rechtschreibung ein, sondern beispielsweise auch einen professionellen Umgang mit Sprachbildern. Wenn in einer Mitarbeiter­zeitung steht: „Er ist ein guter Chef, weil er uns, selbst wenn wir einmal hirnlos agieren, nicht gleich den Kopf abreißt“, dann ist das witzig. „Etwas kopflos stürzen wir uns manchmal kopfüber in die Arbeit“ klingt zwar irgendwie ähnlich, ist aber als Bild skurril und verstörend. Zu wissen, was ich mit einem Bild im Leser auslösen will, ist eine Sache – das Intendierte auch zu bewirken aber eine ganz andere. 

Um zu unserem Küchen­gleichnis zurückzukehren: Sprachbilder setzt man ein wie die Gewürze in der Haubenküche, mit Bedacht und in Maßen. Die Gefahr, die Suppe zu versalzen, ist allerdings groß.

Dieser Artikel erschien erstmals in periodicum 1/2011