Schöner schreiben mit schöner Unterwäsche

Stellen Sie sich vor, sie kaufen sich ein Gerät und die technische Beschreibung ist nicht nur verständlich, sondern sprachlich so gut gemacht, dass das Lesen Vergnügen bereitet. Einem meiner Freunde, der ein Tool für die technische Industrie entwickelte, ist so ein Handbuch gelungen.

„Bei meinem Technikerteam durchzusetzen, dass wir für das Handbuch einen professionellen Texter brauchen, war nicht einfach“, erzählte mir mein Freund. Das Hauptargument dagegen kenne ich auch aus meiner Branche zur Genüge: „Unsere Leser merken den Unterschied doch gar nicht!“

Ich weiß, dass das nicht stimmt. Auch wenn nicht jeder ­Leser grammatikalisch sattelfest ist und sich so mancher noch nie ­Gedanken über pointierte Formulierungen gemacht hat, steigt das Lesevergnügen, wenn Medien gut geschrieben sind. Die ­Geschichte meines Freundes zeigt, wie stark Dinge wirken ­können, die nicht gleich ins Auge fallen.

Inspiriert hat ihn ein Gespräch über Unterwäsche, das er zu­fällig im Kaffeehaus mitanhörte. Bequem sollte sie sein und gut passen, darin waren sich die Damen am Tisch einig. „Das Design ist mir nicht so wichtig“, sagte eine, „man trägt sie ja nur drunter.“ Eine  andere widersprach sofort: „Ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, dass ich auch dort perfekt gekleidet bin, wo es nicht jeder gleich merkt. Und meinem Freund gefällt’s auch!“

Bei der nächsten Technikerbesprechung wurde wieder über das Handbuch diskutiert. „Die Kosten für professionelle Texterstellung können wir uns sparen. Ob die Sätze gut oder ein paar Fehler drin sind – wer merkt das schon?“, waren sich alle Herren bis auf meinen Freund einig. Doch dann überraschte der sie mit einer seltsamen Frage: „Was tragt ihr denn für Unterwäsche?“

Nach konsterniertem Schweigen und ein paar dummen Sprüchen outeten sich die Männer. Einer trug Boxershorts mit lustigen Sprüchen drauf, ein anderer hatte Panties an, weil sie seiner Freundin am besten gefielen, ein dritter bevorzugte eine bestimmte Marke, „die nicht zwickt“. Keinem Mann in der Runde waren seine Unter­hosen egal. „Schon erstaunlich, dass euch das so wichtig ist. Wer merkt denn schon den Unterschied?“, feixte da mein Freund.

Er bekam seinen Willen und ein perfekt gemachtes Handbuch. Und er hat schon zwei positive Rückmeldungen von Kunden darauf erhalten. „So unterschwellig wirkt gute Sprache also gar nicht“, resümierte er. Unterschwellig oder nicht: Mir gefällt sein Unterwäschegleichnis – und sein Handbuch natürlich auch!

Diese Kolumne erschien erstmals in der Printausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ vom 25. Juni.