Ruth mit Lockenwicklern und Friseurzubeoehr

Man muss nicht Vivienne Westwood werden

Nicht jeder ist ein Trendsetter – aber ein bisschen Mut braucht es, um nicht als unbeachtetes Mauerblümchen zu enden. Ganz besonders in der Unternehmenskommunikation.

Auf Trendsetter wie Vivienne Westwood schaut die Welt. Sie sind Vorbilder darin, sich selbst in ein interessantes Licht zu rücken. Wie wichtig das ist, wurde mir bewusst, als ich Ruth kennenlernte. Trotz hoher Qualifikationen fand sie keinen Job. Potenzielle Arbeitgeber sahen sie schlichtweg nicht.

Ruth wünschte sich eine Veränderung. Erster Schritt war ein Friseur­besuch statt der Haarschneidekünste ihrer Mutter. ­Weiters wurde ihre Garderobe um ein paar Farbtupfer bereichert und in einem Workshop lernten wir, auf unsere Haltung und unser Auftreten besser zu achten.

Das Ich-Projekt von Ruth hätte gut laufen können. Die neue Frisur hatte Pfiff, bunte Accessoires putzten Ruths Kleidung auf und die Tipps vom Coach waren nützlich. Bloß Ruth machte nicht mit. Die flott ins Gesicht frisierten Strähnchen fielen Mutters Schere zum Opfer, die Accessoires verschwanden im Kasten und die Tipps, so befand Ruth, „passen nicht zu mir“.

So wie Ruth haben auch manche Firmen nicht den Mut zu grundlegenden Veränderungen, selbst wenn sie die Notwendigkeit dazu bereits erkannt haben. Gerade die Kommunikation hat sich mit dem Internet radikal verändert. Heute haben wir es mit vernetzten dialogischen Systemen und Datenüberflutung zu tun.

Die Vivienne Westwoods der Unternehmenskommunikation haben interne und externe Kommunikation bestens vernetzt, managen für das Unternehmen relevante Inhalte so, dass sie effizient für verschiedene Kanäle aufbereitet werden können und setzen auf echte Geschichten statt Slogans. Viele weitere Firmen picken sich aus den Best-Practice-Beispielen heraus, was für sie sinnvoll ist, und adaptieren es für ihre Bedürfnisse. Selbst sehr kleine Unternehmen mit wenig Budget agieren hier erfolgreich. Man denke nur an Gastronomiebetriebe, die Stammkundenpflege über Facebook betreiben.

Die Ruths der Unternehmenskommunikation dagegen können sich, auch wenn sie sagen, dass sie sich Content und Story­telling wünschen, von abgenutztem Werbesprech und gestellten Imagefotos, nicht trennen. Hier wär ein bisschen Mut schon gut, stimmt’s liebe Ruth?

Diese Kolumne erschien erstmals in der Printausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ vom 23. Jänner.