Ein Plädoyer für straff gestrickte Zeitpläne

Ein Plädoyer für straff gestrickte Zeitpläne

Was haben Babyjäckchen und Unternehmensmedien gemeinsam und wie werden sie rechtzeitig fertig? Die Antwort finden Sie hier.

Zur Geburt des Sohnes meiner Freundin Margit wollte ich ­unbedingt ein Babyjäckchen mit dazupassender Haube ­stricken – in einem komplizierten Lochmuster, das mir in einem Handarbeitsmagazin besonders gut gefiel. „Ein Glück, dass ich sechs Monate Zeit habe“, dachte ich, „da muss sich das doch neben Arbeit, Familie und Hobbys irgendwie ausgehen!“

Voller Ehrgeiz startete ich und schaffte am ersten Abend gleich das halbe Häubchen. Dann ruhte das Machwerk ­wochenlang in der Handarbeitstruhe. Als ich es wieder hervorholte, hatte ich vergessen, wie das Muster läuft. Ich musste mich erst einlesen und dann Maschen und Reihen zählen, um zu sehen, wo genau ich mit meiner Arbeit stehengeblieben war. Dafür brauchte ich knapp eine Stunde, eine halbe strickte ich schließlich, mehr Zeit hatte ich nicht.

Das ging einige Male so. Der Geburtstermin rückte näher und ich kam nicht weiter. Bis ich mir ein Wochenende nur fürs Stricken reservierte. Fertig war ich schon am Samstag, denn ich war im Flow, musste nicht ständig aufs Neue in die Arbeit reinkommen. Am Sonntag packte ich das Set in Geschenkpapier ein und am Dienstag kam der kleine Konstantin zur Welt.

Gestern, also 15 Jahre später, traf ich ihn zur Geburtstags­jause. Er erzählte mir von einem Schulprojekt, das er konzipieren müsse. Ich riet ihm zu einem straffen Zeitplan und sagte: „Das habe ich beim Stricken deines Babyjäckchens gelernt – und daran halte ich mich seither auch im Beruf.“

Wie das Handarbeiten damals nicht meine Hauptaufgabe im Leben war, so läuft auch die Beschäftigung mit Mitarbeiterzeitschriften oder Kundenmagazinen für HR- oder Marketing­spezialisten oft nur nebenher. Diese nutzen daher für die Arbeit daran gerne einzelne Zeitfenster, verstreut über einen relativ großen Zeitraum. Wie mir beim Stricken, kostet das auch ihnen unter dem Strich viel Zeit. Ich rate daher zu straffen Zeitplänen. Oder überhaupt dazu, die Arbeit an Profis auszulagern. Das Baby-Set für Konstantins Bruder ließ ich anfertigen. Das hat mich wesentlich weniger Nerven gekostet – und ganz ehrlich: Schöner ist es auch geworden!

Diese Kolumne erschien erstmals in der Printausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ vom 11. Juni.